Mitte September war es nochmal soweit. Auf in die Berge! Diesmal mit dem Ferrari, der kam in diesem Jahr noch nicht so oft aus der Garage. Er sollte so was wie eine „Best Of Schweiz“ Tour werden, mit vielen unserer Lieblingsstationen wie Grimsel, Furka oder die Therme in Vals.
Erster Halt ist Bergün in Graubünden. Es liegt idyllisch im Albulatal und wir sind wieder im Kurhotel gelandet, wo wir im letzten Juni schon mal waren. Das weitgehend original erhaltene Jugendstil-Haus von 1906 gefiel uns so gut, dass wir gerne wiederkommen wollten.
Am nächsten Morgen geht es über den kaum befahrenen Albulapass zum Kaffee-Stopp auf der Sonnenterrasse des Hospiz in 2315 Meter Höhe. Wir genießen den Moment und fahren dann runter nach Sankt Moritz – wo in diesen Tagen die Automobile Week mit Kilomètre Lancé und Bernina Rennen stattfindet- und weiter über Silvaplana und den Malojapass nach Italien. In Chiavenna biegen wir ab und nehmen den Weg zum Splügenpass. Dieser entpuppt sich als echtes Highlight, 1800 Höhenmeter sind auf 30 Kilometern durch das Valle San Giacomo zu überwinden und das Öl des Ferrari wird ganz schön warm. Einige der höher gelegene Bergdörfer scheinen verlassen und die Zeit stehengeblieben. Der morbide Charme fasziniert uns und wir machen noch einmal eine kurze Pause an der Staumauer, von der man einen schönen Blick auf das Dorf Montespluga hat, welches drei Kilometer vor der Passhöhe (2115m) liegt.
Überfährt man die Grenze in die Schweiz, geht es über 15 Kehren hinab nach Splügen. Dann fahren wir weiter in Richtung Chur und Lenzerheide zur nächsten Station. Dem Maiensäss Hotel Guarda Val, welches sich in 11 teils über 300 Jahre alten Bündner Hütten und Ställen über den ganzen Weiler Sporz ausbreitet. Luxuriös und doch naturverbunden, so könnte man das Konzept des 4-Sterne–Superior Bergresorts beschreiben. Es gibt zwei Restaurants und seit kurzem auch eine Outdoor Küche mit Namen „Fö“. Im Feuer der Wachholderzweige oder im Heu wird das Menü gegrillt und zubereitet und unter dem Sternenhimmel serviert. Auf geführten Wanderungen kann man Pilze sammeln oder angeln und anschließend das Mitgebrachte gemeinsam zubereiten. In der Blockhaus-Suana wird entspannt und im mit Holz beheizten Hot Pot kann man sich bei 42 Grad weich kochen lassen. Oder man kann auch einfach mal nichts tun. Eine feine Sache.
Wir bleiben leider nur eine Nacht. Am Nächsten Morgen regnet es wie aus Kübeln und wir gammeln noch mit Mittag im Hotel herum, bevor sich das Wetter etwas gnädig zeigt. Eilig haben wir es heute aber nicht, denn die Fahrt ist nur 75 Kilometer weit und geht nach Vals. Jenem entlegenen Bergdorf, in welchem sich der Architekt Peter Zumthor mit der Felsentherme ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt hat und das Baden zu einer tief spirituellen Erfahrung macht. Einer unserer absoluten Sehnsuchtsorte. Das Hotel 7132 und das House of Architects grenzt direkt an die Therme an und ist für die nächsten Tage unsere Ausgangsbasis. Mittwochs und Freitags öffnet sie exklusiv für die Hotelgäste von 22-1 Uhr nachts, was ein ganz besonderes Erlebnis ist. Und da ab elf die meisten der oft asiatischen Gäste ins Bett gehen, haben wir danach das komplette Bad fast für uns alleine.
Am nächsten Tag lassen wir den GT4 in der Garage stehen und machen eine Wanderung zum Zervreilastausee und der kleinen, nur im Sommer bewohnten Siedlung Frunt und der Kapelle St Anna von 1754, von der man einen tollen Ausblick auf den See und die umliegenden Berge hat.
Auf dem Rückweg durch Vals kommen wir an einem ungewöhnlich modernen Gebäude vorbei und sind neugierig. Es ist der vom Japaner Kengo Kuma entworfene Firmensitz der Truffer AG, Spezialisten für den Valser Quarzit und mit Projekten in der ganzen Welt. Wir bekommen spontan eine kleinen Führung und Einblicke in die Entstehung des Gebäudes und der Produktpalette des Familienbetriebs. Von der ersten Idee bis zur Fertigstellung vergingen über zehn Jahre. Blickfang des Gebäudes ist die Vorhangfassade aus scheinbar schwebenden Platten, die an Edelstahlseilen hängen. Insgesamt 882 Stein- und 501 Holzpaneele mit einem Gesamtgewicht von 24 Tonnen waren zu befestigen. Im Inneren durchquert eine Treppe das Haus wie eine Schlucht und teilt es so in zwei Dreiecke. Im Untergeschoss liegt die „Steinwelt“, als Präsentations- und Besprechungsraum und zeigt beeindruckend zahlreiche Anwendungen des präzise verarbeiteten Valsergneises im Bereich von Küche, Bad oder Boden.
Der nächste Tag bietet durchwachsenes Wetter, aber auch ein wenig Sonnenschein. Wir machen einen Tagesausflug in Richtung Westen. Erstmal wieder das lange Valser Tal raus, dann über die B19 und über den Oberalppass, vorbei am Leuchtturm Rheinquelle hinunter nach Andermatt. Von hier geht es auf den Spuren James Bonds durch das Ursenertal hinauf zum Furkapass und wir haben die Verfolgungsjagt zwischen Ford Mustang und dem Aston Martin DB5 im 1965 gedrehten Streifen „Goldfinger“ lebhaft vor Augen. Ein kurzer Stopp auf dem Parkplatz „James Bond Street“ und dann weiter Richtung Grimselpass, denn unser eigentliches Ziel ist der Oberaarsee und seinem Gletscher, zu dem wir laufen wollen. Erreichbar ist er über die sechs Kilometer lange Oberaar-Panoramastraße, die jeweils nur in einer Richtung befahrbar ist. Immer zur vollen Stunde für 10 Minuten dürfen Fahrzeuge bergwärts und zur halben Stunde talwärts fahren. Man muss also ein bisschen rechnen und planen und deshalb haben wir auf die Tube gedrückt, um keine Zeit mit Warten vor der Schranke zu verschwenden.
Nach der Wanderung fahren wir die Straße zurück und hinab zum Grimsel Hospiz, wo wir uns mal den Fortschritt beim Bau der neuen Staumauer anschauen wollen. Zurück geht es dann auf genau derselben Route wie am Vormittag. Aber nun lassen wir uns etwas mehr Zeit und halten auch am bekannten Hotel Belvedere, um ein paar Fotos zu machen. Kaum ausgestiegen kommen auch schon die ersten Instagrammer auf uns zu und belagern das Auto. So war das eigentlich nicht gedacht…
Ein Stück weiter liegt das Hotel Furkablick. Hier sind wir schon oft vorbeigefahren und wir dachten eigentlich immer, das Ding ist verlassen. So sah es zumindest aus. Diesmal halten wir und sind überrascht, welche Geschichte es im Innern zu bieten hat. Das über 100 Jahre alte Haus stand lange leer, bevor es vom Neuenburger Galeristen Marc Hostettler ab 1983 bis in die späten 90er als Kunstlaboratorium betrieben wurde. Unter dem Titel FURK’ART verbrachten über 60 Künstler und Künstlerinnen den Sommer auf dem Furkapass und schufen zahlreiche Kunstinstalationen oder Performances. Jenny Holzer, Royden Rabinowitch oder Max Bill hinterließen Werke, teils im Gebäude, aber auch in der Landschaft verteilt, wo diese bis heute unbeschriftet nicht leicht zu finden sind. 1989 wurde der Architekt Rem Koolhaas mit einem Umbau und der Erweiterung des Bauwerks betraut und stellte die Arbeit 1991 fertig. Sie bestand im Anbau eines futuristisch anmutenden Eingangs, einer schlichten, funktionalen Terrasse und der Erweiterung des Gastraums mit Betonbar und Treppe nach unten. Die absichtlich disharmonischen Elemente unterstreichen den exzentrischen Charakter des Kunstprojekts. Es ist das bis heute einzige Werk des Holländers in der Schweiz. Hostettler verkaufte das Hotel 2004 an die Alfred-Richterich-Stiftung, die ein Institut Furkablick gründete und sich nun um den Erhalt des Gebäudes und die Konservierung der Werke kümmert. Das Hotel ist schon lange nicht mehr in Betrieb, aber im Sommer kann man im Restaurant einkehren oder eine Kaffee trinken.
Mit dieser unerwarteten Eindrücken fahren wir zurück nach Vals, genießen noch einmal die Therme und fahren am nächsten Tag weiter nach Stuttgart, wo wir am Sonntag das HEIZR Treffen besuchten wollen.
Fotos: Markus Haub & Susana de Val